Jugend ohne Zukunft?

Lëtzebuerger Land, Februar 2012

Die Jugend resigniert. Auch in Luxemburg. Sind die früheren Generationen noch mit der Gewissheit aufgewachsen, in einer besseren Zukunft leben zu können, so ist dies heute nicht mehr der Fall. Die Krisendynamik (Wirtschaft, Finanzen, Soziales, Klima…) hat sich tief in den Köpfen der jungen Leute in Europa verankert. Die sozialen und globalen Ungerechtigkeiten nehmen zu, die Ressourcen unseres Planeten werden ausgeraubt und alle sehen zu…

Der Shell-Studie zufolge blicken nur 59% der Jugendlichen ihrer Zukunft zuversichtlich entgegen, bei den sozial Benachteiligten sind es lediglich 33%. Diese Zahlen für Deutschland dürften auch in Luxemburg ähnlich aussehen. Mittlerweile ist hierzulande fast jeder Fünfter Jugendlicher arbeitslos und etwa ein Drittel der jungen Beschäftigten in einem „Contrat à durée déterminé“. Im Europäischen Vergleich steht Luxemburg noch relativ gut da. Allerdings trügt der Schein: die Jungen sind häufiger arbeitslos und befinden sich eher in befristeten Arbeitsverträgen als die Gesamtbevölkerung.

Eine Befragung der Jugendparteien bei den Schülern und Studenten auf der „Foire de l’Etudiant“ hat die Zukunftsängste bestätigt. Viele Jugendliche sind um ihre finanzielle Sicherheit sowie ihre Ausbildung besorgt. Durch die hohen Immobilienpreise können immer weniger Leute sich beim Eintritt ins Berufsleben eine eigene Wohnung mieten, geschweige denn kaufen. Statt sich ein Leben nach ihren eigenen Wünschen aufbauen zu können, schleppen sich immer mehrere von Praktika zu befristeten Jobs und kommen finanziell nur knapp über die Runden.

Die jungen Generationen fühlen sich von der Politik im Regen stehen gelassen. Auf der Studentenmesse haben zwei Drittel der Jugendlichen angegeben kein Vertrauen in die Politik zu haben. Die Teilnehmer stellten die Glaubwürdigkeit der Politiker in Frage. Es gäbe zu viele leere Versprechen, zu wenig Transparenz und einen starken Einfluss von Lobbyisten. Viele Stimmen beklagten sich über mangelnde Entscheidungskraft und Dynamik um wichtige und dringende Themen anzupacken. Statt institutionelle Strukturen zu schaffen, die es der Jugend ermöglicht systematisch die Politik mit zu gestalten, werden Alibiveranstaltungen à la Jugendparlament ins Leben gerufen.

Experten warnen: die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher ist ein hochexplosiver Zündstoff! Man erinnere sich nur an die Massenproteste der Jugend in Südeuropa, die brennenden Autos in Paris oder die Revolten in London. Eine Gesellschaft könne sich keine dauerhafte Exklusion leisten. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer „verlorenen Generation“ wären katastrophal, warnt die Internationale Arbeitsorganisation. Dem entgegen zu wirken müsse Vorrang bei den Regierenden haben.

Die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen wäre eine Priorität der Regierung, sagt der zuständige Minister Nicolas Schmit. Der Arbeitsminister setzt vor allem auf die Beschäftigungsinitiativen und die Reform des Arbeitsamtes. Der Erfolg ist bislang allerdings ausgeblieben, denn die Zahl der jungen Leute ohne Job wächst. Statt Fallbekämpfung zu machen, raten Soziologen dazu das Problem an der Wurzel anzupacken: im Bildungssystem. Gut ausgebildete und auf die Berufswelt vorbereitete Jugendliche haben in der Regel keine Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Durch das starre und spezialisierte Schulsystem in Luxemburg bleiben viele Schüler, vor allem die sozial schwachen, auf der Strecke. Das hiesige Bildungssystem müsste daher tiefgreifend reformiert werden. Das skandinavische Modell beweist, dass Bildungssysteme gute schulische Resultate für alle Schüler hervorbringen können.

In Zeiten der Krise wird sichtbar, wo es im System kränkelt. Die Politik kann entweder halbherzig an die Probleme rangehen oder die grundlegenden Fragen in Angriff nehmen. Die Krise sollte genutzt werden, um unsere Gesellschaft nachhaltig zu gestalten und der Jugend so eine Zukunft zu geben.

François Benoy