Luxemburger Wort, 10.02.2018
Während die Bauernallianz letzte Woche zu ihrem 30-jährigen Jubiläum den deutschen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt als Festredner einlud, der mit seiner Stimme dafür sorgte, dass das Totalherbizid Glyphosat eine europäische Neuzulassung bekommen hat, hinterfragte der Präsident des Fräie Lëtzebuerger Bauereverband im Luxemburger Wort die Rifkin-Vision von der flächendeckenden Biolandwirtschaft für Luxemburg und plädierte für eine objektivere Diskussion.
Wie steht es denn objektiv um die luxemburgische Landwirtschaft? Seit den 1960er Jahren findet eine kontinuierliche Abnahme der Betriebs- und Beschäftigungszahlen im Agrarsektor statt. Auch wenn die bestehenden Betriebe größer werden, sinkt die wirtschaftliche Wertschöpfung des Sektors. Trotz der hohen öffentlichen Ausgaben für die Landwirtschaft ist der Selbstversorgungsgrad Luxemburgs bezogen auf die meisten Lebensmittel gering und die Umweltbilanz katastrophal.
Schuld an dieser Entwicklung sind natürlich nicht die Landwirte, sondern die jahrzehntelange falsche Agrarpolitik, die seit der Nachkriegszeit und bis heute andauert. Doch statt krampfhaft an diesen ineffizienten und schädlichen Systemen festzuhalten und sich so zum Alibi der Agrarindustrie zu machen, sollten alle beteiligten Akteure sich objektiv mit der Faktenlage auseinanderzusetzen und an einer wirklich zukunftsfähigen Landwirtschaft mitarbeiten. Denn ein „Weiter wie bisher“ führt die Landwirtschaft mit Vollgas in die Sackgasse.
Auch wenn der biologische Landbau nicht die alleinige Lösung aller Probleme ist, so ist er zweifelsohne die ressourceneffizientere und klimaverträglichere Variante und trägt deutlich mehr als die konventionelle Landwirtschaft zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Auch Tierhaltung und Pflanzenbau sind betrieblich besser abgestimmt und bilden ein ganzheitlicheres Konzept. Zudem ist er beschäftigungsintensiver und steigert die gesamte Wertschöpfung der Landwirtschaft.
Während die Mehrzahl der hiesigen landwirtschaftlichen Betriebe auf die Erzeugung von Fleisch und Milch spezialisiert ist und mehr als die Hälfte der Produktion ins Ausland exportiert wird, hinkt die nationale Produktion von Biolebensmitteln der Nachfrage stark hinterher. Einer Umfrage von TNS Ilres zufolge sind sich die Verbraucher in Luxemburg der Bedeutung einer saisonalen, regionalen und nachhaltig produzierten Ernährung sehr bewusst und, mit Ausgaben von 164 Euro/Kopf (2015) für Produkte aus der Biolandwirtschaft, auch bereit dafür zu zahlen. Die zunehmende Nachfrage nach regionalen Bioprodukten sorgt zudem für stabile Preise für den Erzeuger. Ein Bio-Milchbauer verdient rund 20 Cent/Liter mehr als ein konventioneller Kollege (2016) – bei einem wirtschaftlichen Mehraufwand von nur etwa 10 Cent.
Aktuell sind in Luxemburg etwa 3,5% der landwirtschaftlichen Fläche Bio. Regionen wie das Mühlviertel in Österreich (30%) oder unser Nachbar Wallonien (10%) machen uns vor, dass der Weg zu 100% Biolandbau keine Illusion ist. Woran es aktuell jedoch fehlt ist der Wille der Politik und des Sektors. “Alle Bauern und ihre Vertreter sollten tatkräftig mit an dieser Umstellung arbeiten, sonst werden sie vom Zeitgeist überrannt werden“, stellte der von allen Seiten geschätzte Agronom Jean Stoll 2016 im Lëtzebuerger Land fest und schlussfolgerte, dass „die landesweite Umstellung auf “bio” keine Utopie (sei), sondern eine lebensbejahende Notwendigkeit“.
François Benoy
Luxemburg