Mit Investitionen, mehr Steuergerechtigkeit und einer nachhaltigen Haushaltspolitik
François Benoy & Fabricio Costa
Die Krise, die unser Land und die Welt derzeit durchlebt, verändert unsere Gesellschaft auf vielen Ebenen. Sie verändert den menschlichen Umgang miteinander, der durch Abstandsregeln und Maskentragen auf die Probe gestellt wird. Sie verändert unser Verständnis in Hinsicht auf das menschliche Eindringen in die Natur und den daraus resultierenden Folgen. Und sie hat enorme und voraussichtlich langfristige Auswirkungen auf die junge Generation.
Ein starker Staat
Nicht zuletzt markiert die Coronakrise aber auch eine regelrechte Zäsur für das Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft, indem sie die Rolle des Staates für die wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität neu definiert. Es wird immer offensichtlicher, dass der freie, uneingeschränkte Markt nicht die richtigen Antworten auf die heutigen Herausforderungen hat, weder im Kampf gegen Pandemien, noch wenn es darum geht, allen Bürgern bezahlbares Wohnen zu garantieren und die Klimakrise abzuwenden. Um diese Krisen anzugehen, muss der Staat vermehrt in die Wirtschaft eingreifen. Er tut dies nun auf eindrucksvolle Weise, um die Gesundheit der Bürger zu garantieren, Unternehmen zu unterstützen, Existenzen zu sichern und eine nachhaltige Zukunft vorzubereiten.
Diese Interventionspolitik hat zur Folge, dass gerade jetzt in der Krise viele Staaten sich weiter verschulden. Auch Luxemburg gehört dazu. Die Staatsverschuldung soll dem neuen Haushaltsentwurf zufolge im Jahr 2021 auf 29,4% des BIP steigen. Doch es wäre falsch, die Staatsverschuldung nur auf eine Zahl zu reduzieren. Vielmehr muss sie in ihrem gesamtwirtschaftlichen Kontext gesehen werden. Und man darf nicht aus den Augen verlieren, wofür der Staat sich verschuldet.
Zum einen investiert der Staat noch mehr als vor der Krise, um Luxemburg auf die Zukunft vorzubereiten. Dies mit hohen Investitionen in Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien, in die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, in den öffentlichen Wohnungsbau und auch ins Gesundheitssystem. Hier gilt es auch verpasste Investitionen aus den letzten Jahrzenten nachzuholen, wie zum Beispiel im Bereich der Mobilität und dem öffentlichen Wohnungsbau. Zum anderen unterstützt der Staat mit großzügigen Hilfen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, um unsere Wirtschaft zu erhalten und die sozialen Folgen der Krise abzufedern.
Durch diese Investitionspolitik wird das soziale Gefüge in unserer Gesellschaft stabilisiert und die nachhaltige Transition weitergeführt. Eine Sparpolitik hätte zwar kurzfristig eine konsolidierende Wirkung auf den Staatshaushalt, die langfristigen Kosten einer Austeritätspolitik für die nächsten Generationen wären allerdings weit höher als die Kosten der neuen Schulden, die der Staat jetzt aufnehmen muss. Zudem können wir heute zu extrem attraktiven Zinskonditionen Geld an den Finanzmärkten leihen.
Darüber hinaus gibt es heute zumindest in Europa eine andere Sicht auf Staatsschulden als noch in der Eurokrise. Dies zeigt sich allein daran, dass die EU-Kommission eigene Schulden aufnehmen wird, um den Neustart und den ökologischen Umbau der Wirtschaft mit massiven Investitionen zu finanzieren. Sogar Schuldenschnitte in der EU sind nicht mehr undenkbar.
Mehr Steuergerechtigkeit
Neben der Einsicht, dass das Aufnehmen von neuen Schulden im Moment sinnvoll ist um sowohl Krisenmaßnahmen als auch Investitionen zu finanzieren, bleibt die Frage, wie der Staat seinen Haushalt in den nächsten Jahren auf stärkere Beine stellen und gleichzeitig die Bekämpfung der zahlreichen Krisen, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist, finanzieren kann.
Ein Teil der Antwort liegt sicherlich in der Steuerpolitik und einer gerechteren Verteilung der Steuerlast. Dazu gehört, dass der Preis der Umwelt- und Klimaverschmutzung nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt, sondern vom Verursacher getragen wird. Mit dem Haushaltsentwurf für 2021 werden einige wichtige Schritte in die richtige Richtung getan. Durch die Einführung der CO2-Bepreisung wird das Verursacherprinzip zu einem fundamentalen Teil unseres Steuersystems. Klimaverschmutzung wird so finanziell unattraktiv, was dazu führt, dass die nationalen Treibhausgasemissionen sinken. Gleichzeitig wird durch die Erhöhung des Steuerkredits und der Teuerungszulage der finanziellen Situation der Haushalte Rechnung getragen.
In den nächsten Jahren gilt es, das Verursacherprinzip in unserem Steuersystem auszubauen, um so einerseits klimafreundliches Verhalten zu belohnen und andererseits neue Einnahmen zu erschließen, mit denen wichtige Zukunftsinvestitionen finanziert werden können.
Zur Steuergerechtigkeit gehört aber auch, dass Kapitalerträge konsequenter als bisher besteuert werden. Die Reform der Besteuerung von Investmentfonds (FIS), die in luxemburgische Immobilien investieren ist hier ein erster richtiger Schritt. Gleichzeitig sollten aber auch Steuerbegünstigungen und -vorteile regelmäßig auf ihren Nutzen hin evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden. Bei einigen Steuerbegünstigungen stellt sich die berechtigte Frage, ob sie ihr Ziel noch erfüllen bzw. ob die finanziellen Kosten den tatsächlichen Nutzen der Maßnahme rechtfertigen. Ein gutes Beispiel ist die Regelung zur beschleunigten Abschreibung („Amortissement accéléré“) bei Mietwohnungen, die mit dem Haushaltsentwurf für 2021 reformiert wird. Diese Regelung wurde ursprünglich eingeführt, um mehr Mietwohnungen auf den Markt zu bringen. Heute entpuppt sie sich vielmehr als ein Steuergeschenk für Investoren auf einem durch hohe Nachfrage und niedrige Zinsen ohnehin schon sehr angeheizten Wohnungsmarkt.
Nachhaltige Haushaltspolitik
Um die Finanzen des Staates krisenfester aufzustellen, sollen die Auswirkungen von bereits bestehenden und geplanten fiskalpolitischen Maßnahmen systematischer auf die sozial-, umwelt- und klimapolitischen Ziele bemessen werden. Es geht dabei darum, z.B. klimaschädliche Nebeneffekte der Haushalts- und Fiskalpolitik zu identifizieren um wenn nötig Änderungen vornehmen zu können. Im Bereich des Tanktourismus wurde diese Analyse in den letzten Jahren bereits durchgeführt mit dem Ergebnis, dass Luxemburg seine Besteuerung von Benzin und Diesel schrittweise erhöht um die negativen Nebeneffekte aufs Klima zu reduzieren. Dasselbe gilt auch für Investitionen von staatlichen Fonds. Eine nachhaltige Ausrichtung der Investitionen von staatlichen Fonds, wozu auch das Miteinbeziehen von Klimafinanzrisiken gehört, ist nicht nur aus klimapolitischer, sondern auch aus rein finanzpolitischer Sicht sinnvoll.
Wenn es darum geht, die Haushaltspolitik an klare Ziele zu koppeln, geht die Regierung bereits neue Wege, z.B. indem sie vor kurzem eine nachhaltige Staatsanleihe herausgegeben hat, die für soziale und klimafreundliche Ausgaben bestimmt ist. Das Einhalten dieses Kriteriums wird jährlich evaluiert. Es handelt sich also hier um einen ersten Schritt in Richtung einer Haushaltspolitik, bei der nicht nur die klassischen Indikatoren wie BIP und Beschäftigung berücksichtigt werden, sondern die Performance an Leistungsindikatoren im Bereich der Nachhaltigkeit gekoppelt wird. Auch der „PIBien-être“ sollte hier eine wichtigere Rolle spielen und in die Bewertung hineinfließen.
Neue Wege gehen
Trotz oder vielleicht gerade wegen der Corona-Krise stehen die Zeichen der Zeit immer mehr in Richtung einer Gesellschaft, die im Einklang mit dem Planeten und dessen Ressourcen leben will. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Menschen mehr als je zuvor für Veränderung bereit sind. Um diesen Wunsch zu erfüllen, muss der Staat eine immer größere Rolle dort übernehmen, wo der freie Markt keine adäquaten Antworten findet. Er muss neue Wege gehen und darf nicht davor zurückschrecken, mit altbekannten Mustern zu brechen. Luxemburg ist hier seit ein paar Jahren auf einem guten Weg. Nun gilt es, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen und diesen Weg noch ambitionierter weiter zu beschreiten.
François Benoy ist Abgeordneter von déi gréng und Berichterstatter des Staatshaushaltsgesetzes 2021.
Fabricio Costa ist Politologe und Mitglied des Exekutivkomitees von déi jonk gréng.
Erstpublikation: Luxemburger Wort, 14.11.2020